"Unsere Vorfahren, die Phönizier…"
Nur sehr wenig chauvinistisch veranlagt, wird dem
jungen Libanesen nicht schon auf der Schule seine
historische Zugehörigkeit beigebracht, wie man
das in anderen Landstrichen gewohnt ist. Und das wohl
aus einem ganz einfachen Grund : So viele Zivilisationen
sind auf seinem Erdboden einander gefolgt, dass er
sich zuerst als Bewohner des Mittelmeergebietes, dann
als Weltburger und dann schliesslich doch als Libanesen
betrachtet. Schon seit der fernsten Antike war der
Libanon ein Zufluchtsort - teils gewollt, teils ungewollt
-. Doch hat er durch alle Zeiten hindurch die besonderen
Tugenden bewahrt, die man heute noch bei seinen Einwhnern
vorfindet, ohne sie besonders weit suchen zu müssen.
Die ältesten Spuren der Zivilisation gehen auf
das neolithische und eneolithische Zeitalter zurück;
sie wurden von dem Archeologen Maurice Dunand in Byblos
aufgefunden. Doch nimmt man im allgemeinen an, dass
die "historiche" Periode des Libanon auf
das vierte Jahrtausend vor Jesus Christus zurückgeht,
mit dem Volke der Kanaaniter, die von mehreren disparate
Völkergruppen gebildet wurden; diese lebten an
der Ostküste des Mittelmeers und waren die Vorfahren
der Phönizier, die erste ethnische, regelrecht
definierte, Gesamtheit, deren Geschichte jetzt bekannt
ist. Die Phönizier errichteten an der Küste
eine ganze Reihe von Königreichen und von unabhängigen
Faktoreien - oligarchische Republiken - ; diese staffelten
sich von Rouad (Arados) im Norden bis Ascalon im Süden,
über Bothrys (Batroun), Byblos (Jbeil), Berytos
(Beirut), Sidon (Saida), Tyros und Sebaste (Caesarea).
DIESES SO PRAKTISCHE ALPHABET...
Gute Kaufleute und Seefahrer, scheinen die Phönizier
vor allem praktisch veranlagte, besonders geschickte
und anpassungsfähige Menschen gewesen zu sein.
Sei es aus Instinkt oder geographischer Notwendigkeit,
oder auch noch aus beiden Gründen, die Phönizier
entpuppten sich als fleissige, sehr unternehmungslustige
Menschen in ihren Geschäftsverbindungen mit ihren
Nachbarn (besonders mitden Agyptern, die ihnen Zedernholz,
die Purpurfarbstoffe der Murexschnecke, Gewürze
und Stoffe abkauften). Sie standen allen Ideen offen,
sie waren fähig, sich verschiedenem Glauben und
Gottheiten anzupassen - und wenn es sein musste, sie
unter einer anderen Form zu übernehmen - ; diese
Disponibilität findet man noch heute bei ihren
Nachkommen, wenn auch die heutige Volksgemeinschaft
im Laufe der Jahrhunderte von den verschiedenen, aufeinanderfolgenden
Eindringlingen, immer wieder umgeformt wurde. Schon
Makler der anliegenden Völker, gelingt es ihnen,
obwohl sie sich der zivilisierten Welt dieser Zeit
nicht verschliessen, energischst auf ihre Individualität
zu pochen, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass
jede dieser berühmten Städte unabhängig
bleibt, wenn sie nicht sogar Rivalen sind. Doch ihre
Lage treibt sie dazu, einen Städtebund zu bilden,
der geographisch gesehen - von einigen Grenzen abgesehen
--- dasselbe Territorium einnimmt wie der moderne
Libanon, was öl auf die Lampe derer giesst, die
behaupten, dass die Libanesen tatsächlich die
Nachkommen der alten Phönizier seien…
Das berühmteste Beispiel des praktischen Denkens
und der Schöpfungskraft der Phönizier bildet
die Erfindung des Alphabets. Kann man sie Cadmos zuschreiben
oder einem der Schriftgelehrten in Byblos? Darauf
kommt es ja nicht an. Das System der keilschrift erscheint
ihnen zu kompliziert für den Handel. Da muss
man eben ein Zeichensystem von 22 Buchstaben erfinden,
das sofort von den Griechen übernommen wird (Alpha,
beta…), dann von den Römern, und schliesslich
vom ganzen Okzident.
Die phönizische Hegemonie an der Ostküste
des Mittelmeers kennt verschiedene Tribulationen.
Zuerst von den Hyksos überfallen, dann von den
Pharaonen befreit, denen sie tributpflichtig werden,
finden die Phönizier schliesslich ihre Unabhängigkeit
wieder. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg geht ins 9.
Jahrhundert vor Jesus Christus; sie überqueren
sogar die Meerenge von Gibraltar (die Säulen
des Herkules), um an anderen Gestaden blühende
Kolonien zu gründen, und das auf Antreiben der
Seefahrer aus Tyros, denen diese Expansionspolitik
zuzuschreiben ist. Als Assyrer, Babylonier und Perser
die Gegend überfluten, versuchen die phönizischen
Stadtstaaten ihre Autonomie zu bewahren, sei es, indem
sie sich einfach unterwerfen, sei es, dass sie Verbün-dete
suchen; doch ist ihre Dekadenz schon eingetreten.
Immerhin widersteht das von Nebu-kadnezar II. im Jahre
587 vor Jesus Christus belagerte Tyros dreizehn Jahre
lang, bevor es sich unterwirft. Zweihundertfünfzig
Jahre später, nachdem es noch dem Ansturn des
Cyrus standgehalten hat, schliesst es seine Tore vor
Alexander dem Grossen, der es sieben Monate lang belagert…
Obwohl die Sidonier den Einwohnern von Tyros zur Hilfe
kommen, gelingt es Alexander in die Stadteinzudringen;
er massakriert alle ihre Einwohner und zerstört
sie vollkommen. So läutet die Totenglocke von
Tyros den Abstieg der stolzen phönizischen Stadtstaaten
ein (332 vor Jesus Christus). Phönizien muss
noch zehn Jahrhunderte warten und als römische
Provinz der "pax romana" teilhaftig werden,
bevor e seine gewisse Blute wiederfindet. Dafur legen
die Ruinen von Baalbeck beredtes Zeugnis ab, sowie
auch das Andenken an die berühmte Rechtsschule
von Beirut, die aber eigentlich ihr goldenes Zeitalter
erst später erlangt, und zwar unter byzantinischer
Herrschaft. Die phönizischen Städte (Tyros,
Tripoli, Berytos) erleben nun einen noch die dagewesenen
wirtschaftlichen und intellektuellen Aufschwung. Sie
wischen so die Erinnerung an den dekadenten Hellenismus
und das syrische Königreich der Seuleukiden aus,
die sie zu einem langsamen Tod verurteilten. Dieser
Aufschwung wird allerdings von inneren Kämpten
unterbrochen, sowie von ideologischen und religiösen
Schismen; hinzu kommen noch natürliche Katastrophen
wie das Erdbeben von 555, das Berytos und seine Rechtsschule
vollkommen zerstört, oder auch das Erdbeben,
das die Tempel Baalbecks in ihren Grundfesten erschüttert.
Im Innern durch all diese Zwiespälte geschwätch,
an seinen Grenzen ständigem Geplänkel mit
dem siegreich vordringenden Islam ausgesetzt, stürzt
das byzantinische Kaiserreich zusammen. 636 von Khaled
Ebn el-Walid in der Schlacht am Yarmouk geschlagen,
uberlässt Heraclius Syrien den moslemischen Eroberern.
DIE ARABISCHE EROBERUNG UND DIE KREUZZUGE
Fast vier Jahrhunderte lang setzt sich der Islam im
orientalischen Teil des Mittelmeers sowie im Innern
fest, zuerst unter der Herrschaft der Omajjaden, dann
unter der der Abbassiden; er breitet seine Herrschaft
sogar über die Meere aus mit der materiellen
(Holz) und technischen (seemännische) Erfahrung
der Christen der Küste --- die noch nicht "Libanesen"
geheissen werden und die über die byzantinische
Herrschaft aufgebracht sind. So wird das Geschwader
von Byzanz, das der Kaiser Konstantin II. Kommandiert
den Küsten Lydiens von den moslemischen Seestreitkräften
vernichtet (655).
Die Festigung der arabischen Eroberung bringt den
Küstenstädten eine weitere Entwicklung auch
in anderer Hinsicht. Poesie und Literatur nehmen einen
wichtigen Platz ein, sowie auch die Wissenshaften
und die Medizin, doch dient ihnen hinfort die arabische
Sprache als Ausdrucksmittel. Die angewandten Künste,
Keramik und Glasindustrie, die Textilien und das Handwerk
im allgemeinen, breiten sich in der ganzen damals
bekannten arabischen Welt aus. Dagegen zeigen sich
die Abassiden-Kalifen weniger tolerant als ihre Vorgänger;
so brechen verschiedene Revolten aus, wie zum Beispiel
die der Mardaiten, die sich später mit den Maroniten
verbünden (den Schülern des Heiligen Maron,
eines frommen Einsiedlers, die den wesentlichen kern
der aktuellen christlichen Gemeinschaft des Libanon
bilden).
Die Moslems selbst erleiden zu dieser Epoche verschiedene
Spaltungen konfessioneller Art (Schiiten, Drusen,
Metouallis, Ismaeliten…). Das arabische Reich
wird zwischen den Dynastien der Abassiden, in Bagdad,
und der der Fatimiden, in Kairo, aufgeteilt. All diese
Rivalitäten - hinzu kommen noch die unaufhörlichen
Angriffe der Byzantiner und das Andringen der türkischen
Seldschukiden - bereiten den Boden für die fränkischen
Einfälle vor, die in Form von Kreuzzügen
vorsichgehen (Fall Antiochias im Jahre 1098). Es ist
nicht ohne Interesse, gleich hier festzustellen, dass
von dieser Zeit her die vielförmigen Riten und
Glauben des augenblicklichen Libanons datieren; es
handelt sich aber doch um einen Monotheismus, der
nur unter verschiedenen Aspekten zum Ausdruck kommt.
Das folgende Jahrhundert ist, sowohl auf fränkischer
wie arabischer Seite, durch eine Reihe von Siegen
und Niederlagen gekennzeichnet, deren hauptsächliche
der Fall von Jerusalem im Jahre 1099 ist, der Fall
von Akka im Jahre 1104, von Tripoli im Jahre 1109,
von Beirut im Jahre 1110 (mit Sidon), und endlich
von Tyros im Jahre 1124. Die meisten dieser Städte
- mit Ausschluss von Tyros - werden dann später
wieder von dem grossen Salah el-Dine el Ayyoubi (Saladin)
zurückgewonnen; er bereitet dem zweiten Kreuzzug
ein Ende durch seinen Sieg bei Hattin (1187). Die
folgenden Kreuzzüge zeichnen sich durch Misserfolge
aus und durch das Verarmen der libanesischen Küste,
die ständing von diesen Konflikten zerrissen
wird, und deren wichtigste Städte dem Erdboden
gleichgemacht, wieder aufgebaut, und wieder zerstort
werden… Von dieser Epoche zeugen noch erstaunliche
architektonische Uberreste, alte Moscheen und romanische
Kirchen, fränkische Burgen und arabische Festungen,
die über die ganze libanesische Küste verstreut
sind, und die überall Bilder von Rittertum und
Glauben wachrufen.
Obwohl diese Perioden manchmal von Waffenruhen und
friedlichen Zuständen unterbrochen werden, die
so dem Orient unt dem Okzident Gelegenheit boten,
sich besser kennenzulernen - besonders zu Gunsten
des letzteren --- wäre es übertrieben zu
behaupten, dass der Libanon, von seinem malerischen
Dekor abgesehen, aus den Kreuzzügen irgendwie
Nutzen gezogen hätte…
Den Aiyubiden (Nachkommen Saladins) folgen die Mamelucken,
die der Herkunft nach Turkmenen sind; ihre Herrschaft
über das Gebiet erstreckt sich über drei
Jahrhunderte. Sie kämpfen zugleich gegen die
Franken, die Zypern und Zilizien haben; sie müssen
sich ebenfalls gegen die wiederholten Einfälle
der Mongolen zur Wehr setzen. Die Schiiten und Drusen
aus Kesruan nehmen diese Gelegenheit wahr, um sich
gegen die Mamelucken-Sultane zu revoltieren, doch
wird ihre Revolte blutig unterdrückt. Die Küstenstädte
dagegen blühen von neuem auf, denn der Waren
- und geistige Aus-tausch mit dem christlichen Okzident
wird immer reger. Nach den Seeräuberstaaten ist
die Reihe an den Freibeutern des Handels - wenn man
sich so ausdrücken darf - … Venedig und
Genua versuchen den blühenden Orienthandel auszubeuten
und sich Vorteile aus der Versorgung des westlichen
Hinterlandes zu verschaffen.
Die Galeeren des Jacques Coeur, des berühmten
Finanzverwalters Karls VI I., legen 1432 in Beirut
an, und von diesem Zeitpunkt an erlebt dieser Hafen
einen Aufschwung, der bis zu unseren Tagen nicht nachgelassen
hat. Ausser den von den meisten anliegenden Ländern
des Mittelmeers in dieser Stadt errichteten Handelsniederlassungen,
lassen sich dort verschiedene Konsulargerichtsbarkeiten
nieder, die zu den Vorteilen gehören, die später
unter dem Namen "Kapitulationen" bekannt
wurden. Während im "Mont Libanon" so
etwas wie eine Anfang von gemeinschafticher Aufteilung
vorsichgeht, lassen sich die christlichen Minoritäten
(und vor allem die Maroniten) im Norden nieder, die
Drusen im südlichen Teil und am Fusse des Hermon,
die Schiitten im Norden der Bekaa und im Kesruan,
während die Sunniten sich die Küste und
die anschliessenden Ebenen vorbehalten.
FACHRADDIN II. UND DIE "HOHE PFORTE"
Auf die rein arabische Periode folgt jetzt die türkische
Periode; sie ist vom Fall Konstantinopels gekennzeichnet,
das von Mohammed II., dem Eroberer (1453) eingenommen
wird. Im Jahre 1516 vernichtet Selim I. die Mamelucken,
unter ihrem Sultan Chouri, vor Marj Dabek, in der
Nähe von Aleppo. Das ist der Anfang der osmanischen
Epoche, die bis zum Ersten Weltkrieg andauert. Inzwischen
konstituiert sich der Libanon seine nationale Einheit,
und das dank zweir Emire, die ihrer Zeit ihren Stempel
aufgedrückt haben: Fachraddin II., aus dem Hause
der Maan (1572-1635) und Beschir II. aus dem Hause
der Chehab (1789-1840).
Ohne hier in die Einzelheiten der Beziehungen einzutreten,
die vier Jahrhunderte lang die Hohe Pforte mit ihrer
"Provinz ", dem Libanon, verbanden -- oft
zum Nachteil des letzteren - soll hier doch angeführt
werden, dass man Selim I. die Unterteilung des Landes
in drei "Pachaliks" oder Verwal-tungsbezirke
verdankt, an deren Spitze im Chouf Emire aus dem Hause
Maan stehen, im Wadi Taym, Emire aus dem Hause Chehab
und im Gharb, Emire aus dem Hause Al Yamani. Mit der
Zeit sieht man sich eine Vorherrschaft der Emire aus
dem Hause Maan abzeichnen, und die Persönlichkeit
Fachraddins II. nimmt als erster politischer Chef
des Libanons Gestalt an. Ihm ist es zu verdanken,
die nationale Einheit des Libanons, in einem nach
reiflicher Uberlegung festgelegten Aktionsprogramm,
ausgedacht und verwirklicht zu haben ; und das trotz
der Opposition des Hofes von Konstantinopel, der seine
wachsende Vormachtsstellung nur ungern sah. Er ist
so etwas von einer Art orientalischem Ludwig XIV.
Es gelingt ihm, trotz innerer Dissensionen, die Einheit
des Landes wiederherzustellen. Er öffnet sein
Land westlichem Einfluss, und vor allem dem Italiens
(er hatte fünf Jahre lang in der Toskana im Exil
gelebt, als ihn der Pascha von Damaskus aus dem Libanon
vertrieben hatt). Seine Herrschaft ist das Vorspiel
der tatsächlichen libanesischen Wiedergeburt
auf allen Gebieten: Architektur, Kultur und Handel.
Aus dem Exil zurückgekhrt, trägt er bei
Anjar über die Truppen des Paschas von Damaskus
einen wichtigen Sieg davon. Aber seine Unabhängigkeit
beunruhigt die Hohe Pforte, die beschliesst, dem Treiben
dieses gefährlichen Emirs ein Ende zu machen.
In der Nähe von Niha geschlagen, liefert sich
Fachraddin den Türken aus. Diese bringen ihn
nach Konstantinopel wo er mit seinen drei Kindern
hingerichtet wird.
Von seinem Ahnensitz in Deir el-Kamar ausgehend, hat
er den ganzen Libanon geeinigt. Er ist so zu einer
bemerkenswerten legendären Figur geworden, da
er ausserdem auch in religiöser Beziehung sehr
tolerant war. Der Emir Fachraddin wird im Andenken
seiner Mitbürger als der Vorläufer des modernen
Libanon fortleben, als der Mann, der das Land mit
einer soliden Verwaltung bedacht hat, dem auch andere
zahlreiche Realisationen zu verdanken sind (die berühmten
Moscheen von Saida und Beirut, die erste im Orient
installierte Druckerei, und sogar ein zoologischer
Garten; ihm ist natürlich auch der florentinische
und toskanische Einfluss zuzuschreiben, der in der
libanesischen Architektur bis zu unserer Tagen ihren
Ausdruck findet). Nach seinem Tod regierten andere
Emire aus dem Hause Maan, ohne es ihm jedoch gleich
zu tun. Die Dynastie erlöscht ungefähr sechzig
Jahre später. Sie tritt ihren Platz dem Hause
Chehab aus Wadi Taym ab, dessen Macht über das
Land sich befestigt dank dem Sieg, den der Emir Haidar
1711 bei Dara über die abtrünnigen, mit
den Türken sympathisierenden, Fraktionen davonträgt.
Doch ist die Einigung des Libanon noch längst
nicht abgeschlossen. Das 18. Jahrhundert ist von einer
ganzen Reihe innerer Trubel gekennzeichnet, die von
verschiedenen Emiren oder Paschas (Damaskus, Saida…)
angestiftet oder geschürt werden. Ein schwerer
Schalag für den Libanon sind auch die Folgen
des russisch-türkischen Krieges, demzufolge eins
von dem Admiral Alexis Orlof kommandiertes Geschwader
in der Reede von Beirut einläuft. Von den Russen
bomdadiert, wird die Stadt dann von den Streitkräften
der Hohen Pforte militärisch besetzt; an ihrer
Spitze steht ein Bosnier, Ahmed el-Jazzar (der Schlächter).
Dieser verdient vollauf seinen Beinamen wegen seiner
Grausamkeit, seiner Habgier und seiner Ausschreitungen.
DAS HALBE JAHRHUNDERT DES FURSTEN VON BEIT
EDDINE
Es ist die Epoche, in der Bonaparte versucht, die
allgemeine Aufmerksamkeit von seinen Schwierigkeiten
in Agypten abzulenken, und die Stadt Akka belagert;
diese wird von den Engländern verteidigt, mit
Hilfe von Jazzar. Der zukünftige Kaiser versucht
vergeblich die Mitwirkung des jungen Emirs von Beirut
- Beschir Kassem Omar - zu erlangen, der später
unter dem Titel Beschir II. bekannt wird.
Bonaparte muss nachgeben und kehrt nach Frankreich
zuruck. Beschir versucht seine Stellung der Hohen
Pforte gegenüber zu konsolidieren, aber ohne
Erfolg. Er muss 1799 nach Agypten ins Exil gehen,
wo ihn der Vize-könig Mohamed Ali aufnimmt.
In den Libanon zurückgekehrt, beseitigt der Emir
Beschir nach und nach die Feudalherren oder versöhnt
sich mit ihnen, und das, um zu einer Vereinigung und
zum inneren Frieden zu gelangen, die das Land wirklich
nötig hat. Er wendet dabei oft Mittel an, von
denen manche sehr grausam sind, aber es gelingt ihm
zum Ziele zu gelangen, denn er besass einen sehr scharfen
Sinn für Politik, so wie vor ihm Fachraddin,
dessen liberale Einstellung er allerdings nicht besass.
Doch während seiner vierzighährigen Regierung
erlangen die verschiedenen Gemeinschaften ein ausgeprägteres
National-bewusstsein; auch nimmt sein Land auf dem
Schachbrett der internationalen Machte stetig an Bedeutung
zu. Er kann auf zahlreiche Realisationen im Innern
zurückblicken, von denen die schönste wohl
der herrliche Palast Beit Eddine ist, wo der Emir
Hof hielt, wie es wohl sonst nur die Fürsten
der Renaissance taten. Doch war seine an das Schicksal
des Vize-königs von Agypten gebundene Regierung
reich an verschiedenen Ereignissen: Eingriff in Syrien,
Kampf gegen die Hohe Pforte und gegen den Pascha von
Akka, ägyptische Besetzung des Libanon, Fall
von Damaskus, Abkommen von Kutahia, Drusenrevolte
von Leja, Schlacht bei Nizib (1839) - bei der die
Armeen des Sultan vollkommen in die Flucht geschlagen
wurden - und schliesslich der Aufstand von 1840 und
der Vertrag von London, gefolgt von der Landung englisch-türkischer
Truppen in Jounié, denen sich der Emir schliesslich
auszuliefern beschloss, während seine Untertanen
entschlossen waren, sich zu revoltieren.
Nach seinem endgültigen Exil in Malta, überlässt
Beschir II. dem von den Engländern und Ottomanen
ernannten Beschir III. die Macht. Doch die Unordnung
im Land nimmt immer grössere Ausmasse an, da
der neue Emir sehr unpopulär ist. Die Antagonismen
zwischen verschiedenen Clans, Konfessionen und Interessen
manifestieren sich heftiger als je, im geheimen von
den Türken geschürt, die schliesslich die
direkte Verwaltung ausüben. Diese beklagenswerte
Politik häuft die Irrtümer an: es brechen
innere Unruhen aus, die bis zur vollständigen
Anarchie und zum Bürgerkrieg zwischen den Religions-gemeinschaften
gehen.
Schliesslich landet im September 1860, auf Veranlassen
der Mächte, ein französisches Expeditionskorps
in Beirut; eine internationale Kommission wird gebildet,
mit dem speziellen Abgesandten des Sultan Fouad als
Präsidenten, um Frieden und Ordnung wieder ins
Land zu bringen. So wird im Libanon die Verwaltungsform
der autonomen "Moutassarifat" (Präfekturen)
gebildet, deren erster "Moutassarif", Daoud
Pascha, bei der Unterzeichnung des Protokolls von
1861 ernannt wird.
DIE OTTOMANEN ZIEHEN AB…
Er hat mehrere "Moutassarifine" als Nachfolger,
aber keiner besitzt sein Prestige und seine Kompe-tenz,
den Daoud Pascha verstand es, wieder Ordnung in den
geschwächten Libanon zu bringen und ihn verwaltungsmässig
zu reorganisieren. Es ist die Epoche der grossen öffentlichen
Bauarbeiten, doch zugleich lastet eine schwere wirtschaftliche
Krise auf dem Land, derzufolge mehrere tausende von
Libanesen in mehr oder weniger entfernte Länder
auswandern, wo sie sich in mehreren Siedlungen von
Weltruhm niederlassen.
Aus dieser Zeit rührt auch die Renaissance der
arabischen Literatur her; es entstehen bedeutende
Universitäten, es ist die Gründungszeit
der libanesischen Presse und das Erwachen des arabischen
Nationalismus, Faktoren, die in der zeitgenössischen
Periode eine bedeutente Rolle spielen werden.
Bei Ausbruch des Krieges von 1914 kämpft die
Türkei gegen die Alliierten, und der Libanon
wird von den Truppen Djemal Paschas militärisch
besetzt. Nach den ersten Niederlagen, die er vor dem
Suezkanal erleidet, wendet er sich gegen die arabischen
Nationalisten und die Bevälkerung des Libanon
und Syriens. Es ist der Beginn einer Periode von blutigen
Repressionen und einer schrecklichen Hungersnot. Auf
der "Place de Beyrouth " werden am 6. Mai
1916 libanesische Patrioten aufgehängt; seither
heisst dieser Platz "Place des Martyrs".
Zur gleichen Zeit wird in London das Abkommen Sykes-Picot
unterzeichnet, das den mittleren Osten in fünf
Zonen aufteilt; der Libanon gehört zu der Zone,
die Frankreich in Mandatsform zufällt. Der Vertrag
von Versailles wird dieses Abkommen ratifizieren,
und Clemenceau ernennt den General Gouraud zum ersten
Hochkommissar Frankreichs in der Levante.
Doch geht diese Ernennung nicht ohne Unruhen ab, die
besonders in Syrien stattfinden (die Schlacht von
Mayssaloun gegen Faycal). Doch eine Verfügung
vom 31. August 1920, von Gouraud unterzeich-net, proklamiert
die Bildung des unabhängigen Staates des Grossen
Libanon, mit der Hauptstadt Beirut.
An die Stelle Gourauds tritt dann Weygand, und später
Sarrail, der 1925 einer Revolte der Drusen entgegenzutreten
hat. Sein Nachfolger ist der Senator Henri de Jouvenel,
der die libanesische Verfassung verkündet und
1926 Charles Debbas zum ersten Präsidenten der
Republik ernnent. Seine Nachfolger sind Habib el-Saad
und später Emile Edde, der im Jahre 1936 den
französisch-libanesischen Vertrag mit dem Hochkommissar
de Martel unterzeichnet.
UNABHANGIGKEIT UND WIEDERAUFBAU
Aber erst im zweiten Weltkrieg, nach der Besetzung
des Libanon durch die englisch-französischen
Streitkräfte, wird die Verkündung der libanesischen
Unabhängigkeit effektiv. Nach den Wahlen von
1943, die Bechara el-Khoury zum Präsidenten machen,
mit Riad el-Solh als Ministerpräsidenten, wird
die französische Bevormundung tatsächlich
abgeschüttelt und eine "Widerstandsregierung"
gebildet. So wird zur Proklamierung des berühmten
Nationalpaktes geschritten, auf dem heute noch die
libanesischen Institutionen beruhen. General de Gaulle
schickt den General Catroux in den Libanon. Dieser
bringt wieder Ruhe ins Land und erkennt endgültig
die Unabhängigkeit des Libanon an (nachdem er
damit begonnen hatte, seinen Ministerpräsidenten
Alfred Naccache abzusetzen); er erkennt das Wahlresultat
von 1943 an, dessen Datum, der 22. November. seitdem
als Nationalfest gefeiert wird. Das französische
Mandat nimmt ein Ende, mit seinen Zahlreichen Irrtümern,
aber auch mit seinen positiven Realisationen, die
dem neuen Staat zugute kommen werden.
Es folgt nun eine Periode der Stabilisation und des
Wiederaufbaus, unter Führung der Pioniere der
Unabhängigkeit: Bechara el-Khoury und Riad el-solh,
deren Werk die Präsidenten Camille Chamoun, Fouad
Chehab, Charles Helou und schliesslich Soleiman Frangié,
der augenblickliche Staatspräsident, fortsetzten.
Trotz der Unruhen von 1958 und der Schwierigkeiten,
die durch den israelisch-arabischen Konflikt entstanden,
sieht der Libanon, der 1945 der arabischen Liga beigetreten
ist, mit Vertrauem seinem historischen Schicksal entgegen.
Er hat so seine Integration in die grosse arabische
Nation vollzogen, und ist dabei doch traditionnellen
Einflüssen der westlichen Welt offen geblieben.
DER LIBANON UND SEINE INSTITUTIONEN
Es kann natürlich hier nicht die Rede davon sein,
die Liste der libanesischen Besonderheiten zu erschöpfen,
die den Charme des Landes ausmachen und seine Besucher
immer wieder überraschen. Aber gewisse wesentliche
Gegebenheiten wollen wir doch hier aufzählen,
da man dank ihrer das Land besser verstehen und es
um so mehr lieben kann.
Man weiss natürlich schon, dass der Libanon seit
langem "die Schweiz des Nahen Ostens" genannt
wird. Es wird nicht nur so wegen seiner Bodengestaltung
genannt, wegen seiner Lage und seines Reliefs, sondern
auch in Funktion seines wirtschaftlichen Liberalismus,
der aus Beirut eines der wichtigsten Bank- und Handelszentren
der Welt macht (und nicht nur der arabischen Welt).
Welches auch immer die Mysterien der Wirtschaft oder
der libanesischen Statistik seien, eine Tatsache steht
fest: über Beirut werden zahlreiche bedeutende
internationale Geschäfte abgewickelt, und dieser
Markt gewinnt noch an Bedeutung dadurch, dass er jetzt
zu einer "Drehscheibe" wird, wegen des Geldes,
das das "schwarze Gold", der neue arabische
Reichtum, hereinbringt. In diesem Betätigungsfeld
kommt die ungeheure Geschmeidigkeit des Libanesen
besonders zum Ausdruck, denn er ist genau so begabt
für kaufmännische Geschäfte, wie seine
phönizischen Vorfahren.
Wenn auch die Landwirtschaft eine der hauptsächlichen
traditionellen Quellen des Landes bleibt, so kann
man doch den Aufschwung der Industrie nicht vernachlässigen,
die 1974 für 800 Millionen libanesische Pfunde
Exportwaren totalisierte (das libanesische Pfund ist
ungefähr DM 1,25 wert).
Auf dem Gebiet der parlamentarischen Institution ist
die konfessionelle Aufteilung besonders wichtig. Im
Parlament spiegelt sie die Mosaik der Konfessionen
und der Riten wieder. 99 Abgeordnete verteilen sich
wie folgt: 30 Maroniten, 20 Sunniten, 19 Schiiten,
11 Griechisch-Orthodoxe, 6 griechische Katholiken,
6 Drusen, 4 orthodoxe Armenier, 1 katholischer Armenier,
1 Protestant une 1 Vertreter des übrigen Minderheiten.
Dieses inter-konfessionnelle Sich-die-Waage-halten
findet man in den öffentlichen Diensten und in
der Verwaltung des Staates wieder, gilt es doch, ein
Gleichgewicht zu bewahren, das zugleich ein Pland
für die Einheit ist.
Wie man weiss, ist der Staatspräsident traditionsgemäss
ein Maronite; er wird fur sechs Jahre von der absoluten
Mehrheit der Abgeordneten der Nation gewählt.
Der Ministerpräsident, den er bestimmt, ist traditionsgemäss
Sunnite. Wie man sieht, spielen die Traditionen im
Libanon eine Rolle ersten Ranges, und das nicht nur
auf politischem Gebiet. Auch im täglichen Leben
findet man dafür schlagende Beispiele, sowohl
bei öffentlichen als auch bei privaten Zeremonien:
Heiraten, Begräbnisse, usw. Am Ende der Zeremonie
wird dann in die Luft geschossen - so will es die
Tradition - zum Zeichen der Freude oder der Trauer.
Decree
N. 2385 of 17/1/1924 as amended by law N. 76 of 3/4/1999
( articles 2, 5, 15, 49 and 85 ) lays down as follows:
The author of a literary or artistic work, by the
very fact of authorship, has absolute right of ownership
over the work, without obligation of recourse to formal
procedures . The author will himself enjoy the benefit
of exploitation of his work, and he possesses exclusive
rights of publication and of the reproduction under
any form whatsoever. Whether the work in question
comes under the public domain or not those persons
will be liable to imprisonment for a period of one
to three years and to fine of between five and fifty
million Lebanese pounds, or to either one of these
penalties, who 1-will have appended or caused to be
appended a usurped name on a literary or artistic
work; 2-will have fraudulently imitated the signature
or trademark adopted by an author, with a view to
deceiving the buyer; 3-will have counterfeited a literary
or artistic work; 4-or will have knowingly sold, received,
or put on sale or into circulation a work which is
counterfeit or signed with a forged signature. The
punishment will be increased in the event of repetition.